Zwischen Baulärm und afrikanischer Musik
Niederlassungsleiterin Antje Müller im noch unbewohnten Teil des neuen Wohnheims. Die historischen Säulen machen unter anderem den Charme des Gebäudes aus. Fotos: Tina Gewandt
Die gewölbte Decke aus weiß gestrichenen Backsteinen lässt erahnen, wie der Raum mit der noch unbenutzten Küche früher einmal ausgesehen hat. Pferde haben an dieser Stelle gestanden, wo jetzt mit viel Liebe für das Detail und einem Blick für den Charme des Gebäudes Wohnheimzimmer entstanden sind. Antje Müller geht in den Flur und stellt sich neben die historischen Metall-Säulen. Die Niederlassungsleiterin der SBH Nordost GmbH am Standort Leipzig ist stolz auf das hier geschaffene Wohnheim für benachteiligte Jugendliche und unbegleitete minderjährige Flüchtlinge. Vier Wohngruppen mit insgesamt 32 Plätzen sollen in dem denkmalgeschützten Gebäude aus Bergwerk-Zeiten untergebracht werden. Die erste Gruppe ist bereits Anfang des Jahres eingezogen.
„Wir arbeiten als freier Träger der Jugendhilfe sehr eng mit dem Jugendamt zusammen, das stets auf der Suche nach Möglichkeiten für die Unterbringung von Flüchtlingen ist“, erklärt sie. Da die Jugendarbeit und der Übergang zwischen Schule und Ausbildung oder Beruf ein Schwerpunkt der Leipziger Bildungseinrichtung SBH Nordost GmbH ist, lag die Entscheidung für Müller nahe, das ehemalige Unterrichtsgebäude in die betreute Wohnform umzubauen.
Ein paar Meter von der Säule entfernt hört Antje Müller ein vertrautes Geräusch: Baulärm. Während eine Hälfte des Gebäudes in den letzten hektischen Zügen vor der Fertigstellung steht, herrscht im anderen Teil – dem Türmchen – fröhlicher Trubel. Acht Somalier und fünf Erzieher haben den schwedisch eingerichteten Zimmern Leben eingehaucht. Der erste, in der neuen Küche selbst gebackene Kuchen, ist schon fast alle. Die Erzieher besprechen den Dienstplan, während die minderjährigen Bewohner in der Berufsschule sind. „Wir finden uns gerade alle“, sagt Michael Donner lächelnd. „Momentan kommunizieren wir auch mit Händen und Füßen.“ Mehrmals die Woche kommt zusätzlich ein Dolmetscher – denn die jungen Somalier sprechen kaum Deutsch.
„Wir haben einen langen Weg vor uns“, weiß Antje Müller. Sie hat am Tisch des Erzieher-Teams Platz genommen. „Das Wohnheim ist für uns alle ein neues Geschäftsfeld. Ich wünsche mir, diese vielen neuen Erfahrungen zu nutzen, um den Jugendlichen hier zum Beispiel bei der Berufsorientierung zu helfen.“ Über den Tellerrand hinaus blicken ist das große Ziel der Niederlassungsleiterin. Das der Erzieher lautet Bezugsbetreuung. Die Jugendlichen begleiten, bei Behördenterminen zum Beispiel. Aber auch Ansprechpartner sein. Vertrauter.
Antje Müller wiederum liegt die Zusammenarbeit der Schnittstellen schon lange am Herzen. Solange die Jugendlichen minderjährig sind und zur Schule gehen, werden sie durch das Jugendamt betreut. Zugrunde liegt dabei das Sozialgesetzbuch (SGB) VIII. Sobald diese jungen Menschen volljährig werden, ist ein anderer Rechtskreis zuständig – der Bereich SGB II oder SGB III. Dabei können die Jugendlichen verloren gehen, „deshalb müssen die Rechtskreise besser zusammenarbeiten und die Jugendarbeit ganzheitlich betrachtet werden.“ Ein erster Schritt soll das Wohnheim sein.
Auf dem Gelände der SBH Nordost GmbH in der Friederikenstraße 60 ist das Wohnheim, abstrakt gesagt, als SGB VIII-Bereich direkt verbunden mit den SGB II- und III-Bereichen, in denen unter anderem die Berufsorientierung durchgeführt wird. Dennoch separiert sich das Wohnheim vom restlichen Gelände. „Die Jugendlichen haben hier ihr eigenes Areal. Ein Grillplatz kommt noch dazu. Außerdem werden die Fenster neu gemacht und Fassade verschönert.“ Antje Müller zeigt gerne jeden Winkel des Millionen-Projektes, das vom Land Sachsen teilweise gefördert wurde. Eine Wohngruppe wird zudem behindertengerecht. Jede davon hat ein eigenes Erzieherbüro mit Dusche und WC. „Jedes Kabel ist neu“, erklärt Müller. „Die Architekten haben alles super geplant.“
Auch das Zusammenleben klappe bisher wunderbar. „Die Somalier scheinen sich wohl zu fühlen.“ Ab und zu höre sie afrikanische Musik aus der Wohnheimküche bis in ihr Büro. Antje Müller schmunzelt: „Ich bin gespannt, welche Herausforderungen noch auf uns warten.“